Body Positivity und wieso mir das nichts bringt.

Das Merkwürdige ist ja, dass ich von mir aus gar nicht hätte abnehmen wollen. Zumindest nicht in jüngster Vergangenheit.
Ich sehe mich zwar auf Fotos und denke "Hm schon ein bisschen fett." Aber irgendwie hatte ich das akzeptiert.
Ich habe dieses Jahr, zum ersten Mal in meinem ganzen Leben, kurze Hosen getragen. Ich habe noch nie sowas ohne Strumpfhose getragen. Und ich habe mich nicht unwohl gefühlt.
Ich habe mich wirklich wohl in mir gefühlt. Und das habe ich auch nicht mit 45kg als ich rank und schlank war.
Das Problem ist, dass andere Menschen mich so nicht gut finden. Ich weiß genau, dass super viele Dinge anders gelaufen wären, wäre ich schlank, und somit, attraktiver gewesen. Ich weiß genau dass ich dann mehr im Mittelpunkt stehen würde (und ich liebe es im Mittelpunkt zu stehen). Ich weiß genau, dass ich dann mit jemandem zusammen wäre, mit dem ich sehr gerne zusammen wäre.
Ich hasse diese Sprüche "Ja sie sieht echt gut aus obwohl sie dick ist. Wäre sie schlank wäre sie perfekt."
Fuck you ich bin auch so perfekt. Außerdem was steht dir bitte Meinung über meinen Körper zu? Hör auf mich zu sexualisieren du Wichser.
Aber leider kann man nicht immer auf die Meinung anderer scheißen.
Irgendwelche abgefuckten Optimisten sagen dann sowas wie "Naja wenn du dich selbst wohl fühlst, scheiß auf alle anderen. Du hast Persönlichkeit!"
Nein Mann, meine tolle Persönlichkeit bringt mich auch nicht weiter.
Nur weil ich daran glaube, dass das Gewicht nicht den Wert eines Menschen definiert, heißt das noch lange nicht, dass andere das auch glauben.
Fett sein heißt willensschwach zu sein. Undiszipliniert, faul, ohne Motivation, unattraktiv, maßlos, ungesund, schwach, verkorkst.
Das passiert vor allem unterbewusst, ich bezweifel dass Menschen ohne Gewichtsprobleme und Essstörung sich damit hinreichend auseinander gesetzt haben um die Denkstrukturen ,in denen sie sich bewegen, zu erkennen. Um zu erkennen, dass das Quatsch ist.
Fett sein heißt nicht unattraktiv sein. Fett sein heißt auch nicht direkt ungesund sein. (Wir reden hier nicht von 250 kilo auf 1,60. Das ist hoffentlich klar.) Fett sein heißt auch nicht faul sein.
Fett sein heißt einfach gerne zu essen (Was man keinem verübeln kann. Überlebensinstinkt.) und durch das Zusammenspiel mehrere Faktoren dann einen höheren Körperfettanteil zu haben als andere Leute. Den Rest dichten Menschen sich einfach dazu.

Ich finde Menschen die ein bisschen mehr haben genauso ansprechend wie gertenschlanke Menschen. Ich finde die Bierwampe an nem Kerl sympathisch. Als mein Ex sich ein winziges bisschen Hüftspeck angefressen hat und ich das zum ersten mal gefühlt und bemerkt hatte dachte ich in diesem Moment, "Da war mal weniger. Aber jetzt ist da mehr. Mehr von dem Menschen den ich liebe." Und ich fand es großartig. Es war einfach vollkommen egal ob da mehr ist oder weniger, für mich ist das einfach komplett wertfrei.
Auch finde ich Frauen, die Übergewicht haben, kein bisschen weniger attraktiv , ganz im Gegenteil (die meisten würden mich wohl als bisexuell bezeichnen, ich bevorzuge pansexuell). Natürlich sehe ich auch wunderschöne dünne Mädchen, aber da bin ich eher neidisch. Aber Frauen die Rundungen haben und das Leben genießen und sich nichts verbieten lassen und eine große Schnauze haben und weiblich und weich und lebensfroh sind, die finde ich schön.

Aber da zähle ich anscheinend zu den sehr wenigen. Und unsere Generation wird ihre Sichtweisen auf sowas auch nicht mehr ändern.
Und ich habe kein Bock ständig gegen etwas anzukämpfen. Ich habe kein Bock deswegen benachteiligt zu werden. Ich muss mich mit den Umständen die herrschen arrangieren.
Wäre ich nicht süchtig nach Anerkennung, Liebe und Bewunderung meiner Mitmenschen, dann wäre mir das vielleicht auch alles scheiß egal.
Aber das bin ich nun mal. Und ohne eben diese Anerkennung kann ich nicht leben. Und deswegen wird sich bei mir auch nichts ändern. Ich werde immer dünn sein wollen, und wieder dünn werden, nur um dann vielleicht wieder fett zu werden. Und dann wieder dünn zu werden. Ich kenne das ja schon.
Aber ändern wird sich da nichts, bevor die Gesellschaft sich nicht ändert.
Und ich bewundere alle Menschen mit Übergewicht die dagegen kämpfen benachteiligt zu werden und ihren Körper zeigen ohne sich zu schämen und selbstbewusst sind und allen mal ihre Meinung geigen und gegen das Patriarchat kämpfen.
Und für kurze Zeit war ich einer von diesen Menschen. Aber ich bin zu schwach dafür. Und schon zu lange süchtig nach Essen und Hungern.


Natürlich liebe ich auch das Hungern.
Ich liebe es eine Aufgabe zu haben, die ich einfach erfüllen kann. Ob ich esse oder nicht, das hängt nur von mir ab. Keinerlei äußerliche Einflüsse. Wenn alles schief läuft, dann läuft wenigstens das gut.
Wenn ich im Bus verprügelt wurde, und mein Leben die absolute Hölle war, hat mir das einen Lichtblick gegeben. Wenigstens dort habe ich etwas erreicht, was ich mir vorgenommen hatte.
Ich liebe die Kälte, und ich liebe den Winter. Vor allem im Winter liebe ich es hungrig zu sein. Ich liebe das Gefühl von kalter Isolation. Nur ich und meine Aufgabe.
Ich habe ja sonst nichts.
Mein Leben geht den Bach runter, ich habe Angst vor allem. Ich kann nicht mal einen Anruf tätigen ohne vorher zu weinen. Das weiß nur (fast) niemand.
Aber bei meiner Nahrungszufuhr, da habe ich Kontrolle.
Ich habe Erfolg.
Und das Gefühl, das gehört nur mir. Kein anderer kann da in irgendeiner Weise Einfluss nehmen.
Wenn es mir gut geht, und alles glatt läuft, dann brauche ich das eben auch nicht so dringend. Aber nichts ist gut, und nichts läuft glatt.
Im Moment ist mein Leben eine einzige Katastrophe die vollkommen ungehindert ihren Lauf nimmt.
Ich treffe schlechte und falsche Entscheidungen an einem Stück und muss diese immer wieder ausbaden.
Und ich lerne nicht einmal davon, nein, ich treffe diese schlechten Entscheidungen einfach wieder. Und wieder.
Aber das hungrig sein. Der Erfolg auf der Waage. Das gehört ganz mir.